Heute vor 70 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Die Leitenden Geistlichen der Evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen plädieren aus diesem Anlass für einen ehrlichen und wahrhaftigen Umgang mit unserer Geschichte. Ihre Erklärung im Wortlaut:
“Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Seit 1996 ist der 27. Januar nationaler Gedenktag der Bundesrepublik Deutschland, seit 2005 ist er offizieller Holocaust-Gedenktag der UNO.
In der Kirche haben wir oft erst viel zu spät erkannt, dass die versuchte Vernichtung der Juden ein Angriff auf den Gott ist, den wir als Christinnen und Christen anbeten. Unsere Kirchen bekennen sich zu diesem Gott, der sein Volk Israel erwählt hat und ihm die Treue hält.Antisemitismus richtet sich gegen das Fundament, auf dem wir auch als Christen stehen. Das galt nicht nur für die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, sondern es gilt auch für die Gegenwart. Es erschreckt, wie weit judenfeindliches Denken bei uns verbreitet ist und in Angriffen auf jüdische Menschen und Gebäude wieder stärker an die Oberfläche kommt. Dieser gegenwärtige Antisemitismus hängt möglicherweise mit unverarbeiteter Schuld aus der Zeit des Holocaust zusammen, mischt sich aber auch mit allgemeiner Fremdenfeindlichkeit.
Deshalb gedenken wir heute aller Menschen, die auf Grund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer politischen Überzeugung oder anderer Einstellungen zum Leben ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden. Wir ehren sie und bezeugen damit ihre Menschenwürde, die durch das Unrecht, das sie erlitten haben, so verletzt wurde.
Lange Jahre haben wir uns schwer getan mit dem ehrlichen Blick auf unsere eigene Geschichte, gerade in der NS-Zeit. Denn es ist in weiten Teilen eine Schuldgeschichte. Das gilt auch da, wo sich in unserer Kirche Menschen zum Widerstand entschlossen haben.
Nur wenn wir wahrhaftig sind in der Begegnung mit unserer Geschichte, kann die Erinnerung an das Vergangene uns heute zur Orientierung werden.”